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29. Mai 2023

  • Autorenbild: Philippe Selot
    Philippe Selot
  • 30. Mai 2023
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Aug.

Mein Pfingstwochenende verlief ruhig. Ich bin nach wie vor stark gehandicapt, kann kein Gewicht auf mein linkes Bein legen, aber zumindest habe ich keine Schmerzen, wohl dank der täglich 20 Tabletten, die ich nehme.

 

Ich erzähle weiterhin von Deniz und seinem Weg.

 

Die Sonnenhof-Klinik, wo er ein Praktikum absolvierte und wo ich mich gerade operieren liess, gehört zur Lindenhof-Gruppe, die für ihre Ausbildung und Pflegequalität bekannt ist. Nach seinem Praktikum organisierte die Ausbildungsleiterin der Gruppe ein Feedback-Gespräch, zu dem ich eingeladen wurde, da ich das Praktikum teilweise organisiert hatte.

 

Angesichts des akuten Fachkräftemangels im Pflegebereich war ich überrascht, wie wenige Bewerbungen eingingen. Die gute Nachricht: Die Lindenhof-Gruppe bot ihm eine Stelle als Pflegehelfer in der orthopädischen Abteilung an. Zudem engagierte sich Lindenhof, um die nötigen Schritte zu unternehmen, damit er trotz F-Ausweis arbeiten darf.

 

Das Glück blieb ihm treu: Kurz darauf erhielt er vom Staatssekretariat für Migration (SEM) eine Arbeitsbewilligung. Glücklich begann er damit seine erste Anstellung seit seiner Flucht aus Kurdistan.

 

Als Flüchtling erhält er Unterstützung von den Sozialdiensten der Stadt Bern: Krankenversicherung, Haftpflicht und rund 600 CHF monatliche Sozialhilfe. Diese halfen ihm auch bei der Wohnungssuche. Wir bewarben uns auf über 50 Wohnungen, doch trotz Übernahme der Miete durch die Sozialdienste kamen nur Absagen.

 

Beim Einkaufen entdeckte ich zufällig eine private Anzeige für eine möblierte kleine Wohnung. Wir bewarben uns, erhielten eine Einladung und die Wohnung lag im Dachstock eines schönen Herrenhauses einer pensionierten Dame, die früher beim SEM gearbeitet hatte und die Situation von Flüchtlingen gut kennt. Noch einmal hatte Deniz Glück: Er konnte bald einziehen.

 

Sein Lohn wird direkt an die Sozialdienste überwiesen. Das ist wenig motivierend, denn er arbeitet oft bis 23 Uhr, an Wochenenden, Feiertagen oder nachts mit Überstunden, aber bekommt immer dieselbe fixe Unterstützung. Man bot ihm an, selbständig zu werden, also den vollen Lohn zu erhalten, dafür aber selbst die Versicherung und Miete zu zahlen, was er annahm. Praktisch erhielt er von den Sozialdiensten keine wirkliche Unterstützung.

 

Die Arbeit im Spital ist hart, aber er mag sie. Sein Deutsch verbessert sich rasch, da er es täglich anwenden muss. Seine Kultur schenkt ihm eine oft seltene Empathie im Schweizer Pflegebereich. Kollegen und Vorgesetzte schätzen ihn sehr und ermutigen ihn, eine Berufsausbildung anzustreben.

 

Im Pflegebereich gibt es mehrere Ausbildungsstufen. Nach Info-Tagen entschied er sich für die zweithöchste: Diplomierte Pflegefachmann HF, eine Vollzeit-Ausbildung von drei Jahren.

 

Ich kontaktierte das SEM, um seine Absicherung im Falle der Ausbildung zu klären, denn mit einem F-Ausweis kann er jederzeit ausgewiesen werden. Die Zeit verging ohne Nachricht, bis er an einem Sommertag 2022 einen Brief erhielt: Er bekam eine B-Bewilligung, was nach so kurzer Zeit in der Schweiz ungewöhnlich ist. Sein Glück hält an!

 

Die B-Bewilligung erlaubt ihm uneingeschränktes Arbeiten in der Schweiz. Als politischer Flüchtling darf er allerdings nicht in die Türkei zurück, auch nicht zum Familienbesuch, kann aber innerhalb des Schengen-Raums reisen.

 

Endlich nimmt sein Leben hier Gestalt an.


ree


 
 
 

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